1971, im Berliner Prater, lernte ich ihn kennen. Die "Hymne" war das erste
Stück, das ich hörte, und der Anfang mit den leise schreienden hohen Tönen
entschied über meine Zukunft. Sofort wusste ich, dass ich (nach überstandener Armeezeit)
die Zusammenarbeit suchen würde. Inzwischen gab es die Manfred-Schulze-Formation, als
deren Gast ich gelegentlich mitspielte. Diese Gruppe - nicht zu vergessen, dass sie auf höchstem
Niveau zum Tanz spielte - bestand nicht lange, leider muss ich sagen, auch wenn sich erst durch ihr
Auseinandergehen die Möglichkeit ergab, das Berliner Improvisations-Quartett zu gründen. Die
folgenden Jahre engsten Zusammenwirkens mit Manfred haben mich nachhaltiger geprägt, als es mir
damals bewusst war. Da war besonders seine ungeheure Energie, erlebbar schon bei der Autofahrt zum
Spielort (er saß jahrelang selbst am Steuer), die ihm Gelegenheit bot, sich alles inzwischen Vorgefallene
von der Seele zu reden, aber auch mit Kommentaren zu versehen, die mir manchmal mit großer Verspätung
wieder einfielen. Er hasste jedes intellektuelle Gehabe und verwendete einfache Worte, hinter denen mir erst
allmählich seine Weltsicht deutlich wurde, bei der aus großer Skepsis nicht Resignation, sondern Aufbegehren
erwuchs.
Überflüssig zu sagen, dass er seine ganze Energie in die Konzerte steckte. Während des Spielens und auch danach
hat dies in mir Kräfte freigesetzt, die ich sonst wahrscheinlich nicht entdeckt hätte. Auch die für einen klassisch
ausgebildeten Musiker nicht leichte Annäherung an die triolische Jazzrythmik wäre ohne ihn nicht denkbar.
Schließlich will ich die Verwendung der Ganztonleiter erwähnen, die der "Hymne" und vielen anderen Stücken
Manfred Schulzes zugrunde liegt und als musikalische Erfindung ihm zuzuschreiben ist.
Hermann Keller